Ein klarer Blick auf die eigenen Emotionen

Sind wir unseren negativen Gefühlen, Gedanken und Verhaltens­weisen bzw. deren Auslösern wehrlos ausgeliefert? In einem mecha­nistischen Selbst- und Menschen­bild lautet die Antwort auf diese Frage eindeutig JA.

Wenn wir an diesem Punkt stehen blieben, bräuchten wir keinen Gedanken mehr an die Möglichkeit zur Persön­lich­keits­ent­wicklung verschwenden. Verän­derungs­bemühungen würden lediglich darin bestehen, unangenehmen Einflüssen oder Heraus­forderungen auszuweichen.

Wir könnten dann aber auch nicht erklären, warum ein und der selbe Auslöser bei unter­schiedlichen Menschen zu unter­schiedlichen Consequenzen(!) führt. 2000 Jahre alte Philosophie gibt uns hier allerdings einen wertvollen Hinweis. Der antike Philosoph Epiktet erkannte:

Nicht die Dinge selbst beunruhigen die Menschen, sondern ihre Meinungen und ihre Urteile über die Dinge.

Es scheint also eine Instanz zwischen dem  Auslöser und der Consequenz zu liegen.

Diese Instanz – in der RE/KVT nennt man sie Belief – ist dafür verantwortlich, welcher Art die Gefühle, Gedanken und Handlungen sind, die im Einzelnen entstehen.

Beliefs, das sind Meinungen und Urteile, Wertmaßstäbe und Glaubenssätze, die wir von klein auf verinnerlicht haben und die uns fortwährend mit „Interpretationen“ der Situationen versorgen, in denen wir uns befinden. Sie sind entweder rational (rB) oder irrational (iB).

Rationale Beliefs führen zu zielführenden Consequenzen.

Irrationale Beliefs führen zu zielschädigenden Consequenzen.

Was hier in wenigen Sätzen skizziert ist, stellt die Grundlage zu äußerst wirkungsvollen Tools in der Begleitung von Menschen dar. Stark verkürzt gesagt, geht es ja darum, Rat- und Hilfesuchende dabei zu unterstützen, ihre Ziele zu erreichen. Zu diesem Zweck werden zunächst die jeweiligen irrationalen Beliefs, die ja für die Entstehung zielschädigender Consequenzen verantwortlich sind, herausgearbeitet. Diese werden dann in einem strukturierten Verfahren in rationale Beliefs umgewandelt.

Ungesunde und gesunde negative Gefühle

In der RE/KVT wird also nicht versucht, zielschädigende Gefühle direkt zu verändern. Gearbeitet wird mit den Beliefs, negative Gefühle werden zugelassen und darauf geachtet, dass aus zielschädigenden negativen Gefühlen, zielführende negative Gefühle werden.

Wie ist das zu verstehen?

Negative Gefühle haben sehr oft durchaus ihre Berechtigung. Es gibt Situationen, die wirklich abscheulich und ungerecht sind. Wenn diese Situationen aber nun einmal nicht so einfach aus der Welt zu schaffen sind, dann ist es falsch, die negativen Gefühle, die sie hervorrufen, auszublenden und zu ignorieren.

Ziel des Prozesses in der RE/KVT ist es, ungesunde / zielschädigende negative Gefühle wie Wut, Frustration oder lähmende Angst in gesunde / zielführende negative Gefühle wie Ärger, Enttäuschung oder Sorge umzuwandeln. Die zuerst genannten „ungesunden“ negativen Gefühle haben die Gemeinsamkeit, dass sie die Bewegungsfreiheit und Selbstbestimmtheit stark einengen. Dem gegenüber sind die „gesunden“ negativen Gefühle zwar auch unangenehm, sie lassen aber Beweglichkeit zu. Gleichzeitig liefern sie die nötige psychische Energie und Motivation, mit der vorliegenden Situation selbstbestimmt und im Rahmen der Möglichkeiten konstruktiv umzugehen.

Vom Müssen zum Wünschen

Starke Indikatoren dafür, dass man es mit zielschädigenden, irrationalen Beliefs zu tun hat, sind die Codewörter müssen und nicht dürfen. Wenn diese Wörter die Forderungen leiten, die jemand an sich selbst, gegenüber anderen oder der Welt hat, dann haben wir es höchst wahrscheinlich mit einem Fall von Mussturbation zu tun.

Der Begründer der RE/KVT, der amerikanische Psychologe Albert Ellis, prägte den Begriff „musturbation“. Er erkannte, dass Muss-Forderungen und Perfektionismus im höchsten Maße irrational sind und sich damit negativ auf Fühlen, Denken und Handeln auswirken. Indem man sich nämlich auf den Standpunkt stellt, dass etwas unbedingt perfekt sein muss, nimmt man sich selbst jeglichen Spielraum. Die Weltsicht wird dann schwarz-weiß. Schon geringe Abweichungen von den Erwartungen werden als Bedrohung bzw. erhebliche Entwertung wahrgenommen.

Wenn es aber gelingt, vom Müssen zum Wünschen zu gelangen, dann hat man gewonnen. Mit einer Haltung, die geprägt ist durch „Ich wünsche mir sehr …, es ist mir wirklich wichtig …“ hält man sich einen emotionalen und gedanklichen Spielraum offen. Da ja (abgesehen vom Tod) nichts sicher ist im Leben, ist dieser Standpunkt (Belief) zum einen rational, zum anderen bietet er optimale Voraussetzungen dafür, dass man sich mit vollem Einsatz für die Erreichung der jeweiligen Ziele engagiert.

Glauben Sie nicht alles, was Sie denken

Wie oft erleben wir, dass unser Erleben der Dinge als wahrhaftig erscheint. Oftmals konfliktauslösend und -aufrechterhaltend sind wir überzeugt, die objektiv einzig richtige Betrachtungsweise innezuhaben. Die anderen „müssten“ doch erkennen, wie sehr sie selbst irren. Wie wütend und ungehalten uns das oft macht.

Dabei gilt es eher eigene Energien sinnvoll zu bündeln und uns zu üben in einer Haltung der „Indifferenz“. Damit bezeichnet man das innere Abrücken von der eigenen subjektiven Vor-Einstellung. Das Einnehmen einer Haltung bevor man damit beginnt, einen Sachverhalt zu analysieren und zu beurteilen. Dadurch lässt sich lernen die eigene emotionale Betroffenheit zu erkennen und zu zügeln. Der Blick, den man in dieser Haltung auf die Situation – oft gemeinsam mit anderen Menschen – wirft, darf dafür möglichst unverstellt sein, damit die Sache oder die Person, um die es gerade geht, im Vordergrund stehen kann. Und – damit ihr die Lösung möglichst gerecht wird.

Es erfordert Reife, sich nicht so wichtig zu nehmen – und Mut, andere in Konfliktsituationen dazu anzuleiten.

Wenn das gelingt, wird man beschenkt mit Ergebnissen, die tragfähig und im wahrsten Sinne des Wortes „er-lösend“ sein können.

Seelsorge am Telefon

… eine Gelegenheit sich auszusprechen – manchmal führt allein das schon zu einer inneren Klärung. So kommen Menschen, die ihre Probleme in Worte fassen, die sie ausserhalb ihres Herzens in einem vertrauensvollen Rahmen hin und her bewegen können, einer Lösung oft schneller auf die Spur.

… eine Möglichkeit, mit einem unbefangenen, qualifizierten und verschwiegenen Menschen zu sprechen, der nicht in die Problematik verwickelt ist und ihr vorurteilsfrei begegnet.

… ein sich wieder lebendig erfahren können im Angebot des Zuhörens, Antwortens und Nachfragens – neuen Zugang zu den eigenen Kräften und Kompetenzen finden und daraus neuen Lebensmut schöpfen.

… ein Ort, an dem Fragen nach dem Sinn im Leben am rechten Platz sind: Unglück und Leid, manchmal auch Glück, rufen Fragen wach – Fragen nach dem Woher und Wohin, Fragen nach Gott. Diese und ähnliche Gedanken bewegen viele Menschen im Stillen. Hier am Telefon ist der Ort, wo die religiöse oder ethische Dimension dieser Fragen willkommen ihren Raum findet.

… eine ganz praktische Möglichkeit sich auf das Finden weiterer spezieller Hilfsangebote zu fokussieren, wo es nötig und gewünscht ist.